„Hatschi!“ –
„Gesundheit!“ –
[„Ach Du Schreck! Da ging etwas in die Hose. Hoffentlich merkt das keiner. Muss ich mir wohl doch bald TENA Lady besorgen. Oh Gott, so alt bin ich doch noch gar nicht?!“]
Leider ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Du, wenn Du nicht sogar schon selbst einen solchen Moment erlebt hast, zumindest unwissend doch Zeugin einer solchen Situation geworden bist, ohne es zu ahnen. Die sogenannte Belastungsinkontinenz, die, wie der Name schon zeigt, bei plötzlicher Belastung auftritt, ist weiter verbreitet, als die meisten wissen. Sie wird gelegentlich auch als Stressinkontinenz bezeichnet. Auch die Dranginkontinenz, sowie Mischinkontinenz belasten viele mehr Frauen als man meint.
Insbesondere die Belastungsinkontinenz wird überwiegend entweder mit Nebenwirkungen von Schwangerschaften und Geburten assoziiert oder aber als nicht wirklich vermeidbares Übel des Älterwerdens angesehen. Aber stimmt das auch? Ist es ganz normal, sich beim Niesen, Husten, Lachen, Hüpfen oder Laufen in die Hose zu machen und Urin zu verlieren? Müssen wir uns damit einfach abgeben, wenn wir älter werden? Oder ist es nur ein sehr weit verbreitetes Problem, über das wir dringend mehr reden müssen? Denn „weit verbreitet“ ist ungleich „normal“!
Inkontinenz und die Rolle des Beckenbodens
Es gibt wie erwähnt verschiedene Formen der Blasenschwäche und vor allem natürlich auch eine Bandbreite an Ursachen, die hier nicht alle abgedeckt werden. Da sich meine Arbeit rund um die stabile Körpermitte und einen zuverlässigen Beckenboden dreht, betrachte ich in diesem Beitrag nur die Belastungsinkontinenz, da hier ein entsprechender Zusammenhang besteht. Daher möchte ich zunächst, in einfacher Form, darauf eingehen, wie Urininkontinenz unter Belastung mit dem Beckenboden verbunden ist.
Wenn Du Dir vor Deinem geistigen Auge den Beckenboden nur schwer vorstellen kannst, empfehle ich Dir einen Blick auf das Video in diesem Abschnitt meines Artikels über nachhaltiges Beckenbodentraining anzuschauen, bevor Du weiter liest. Dort kannst Du insgesamt den Aufbau des Beckenbodens, aber auch die Öffnungen erkennen, die zum Ausscheiden von Urin und für Stuhlgang notwendig sind, sowie den Vaginaleingang. Die Muschelschichten des Beckenbodens umschließen also diese Öffnungen und beeinflussen somit, was wie wo und wann herauskommen kann.
Ohne hier zu sehr in anatomische Details über den Aufbau des Beckenbodens gehen zu wollen, kann man also sagen, dass die Fähigkeit Urin einzuhalten von der Funktionsfähigkeit der Beckenbodenmuskulatur abhängig ist. Das ist natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt, es spielen natürlich noch andere Faktoren mit rein, aber das würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen.
Der Beckenboden ist auch nur Muskulatur
Genau genommen besteht der Beckenboden nicht nur aus Muskulatur, sondern auch aus Bindegewebe. Aber ich meine damit, dass sich der Muskelanteil darin eben auch nur wie jede andere Muskulatur verhält, im Sinne ihrer Funktions- und Nutzungsmöglichkeiten. Was heißt das konkret? Es gibt drei Grundformen der Muskelkontraktionen:
- Isometrische Kontraktion (die Muskellänge bleibt gleich, die Spannung des Muskels verändert sich) – Beispiel: Ich halte ein Gewicht, ohne meinen Arm zu beugen oder zu strecken.
- Exzentrische Kontraktion (die Länge des Muskels vergrößert sich, Muskelspannung bleibt gleich) – Beispiel: Ich bewege meinen gebeugten Arm aus dieser Position in eine gestreckte Haltung.
- Konzentrische Kontraktion (die Länge des Muskels verkürzt sich, Muskelspannung bleibt gleich) – Beispiel: Ich bewege meinen gestreckten Arm in eine gebeugte Position.
Zusätzlich zu den Arten der Kontraktionen ist für unsere Betrachtung hier noch der Muskeltonus interessant, also der Spannungszustand im Ruhezustand, in dem sich die jeweils betrachtete Muskulatur, in diesem Fall also die des Beckenbodens, befindet. Ist der Muskeltonus niedrig, ist er hypoton, ist er hoch, also in einem sehr angespannten Zustand, ist er hyperton.
Belastungsinkontinenz – wenn es plötzlich feucht wird
Gucken wir uns nun die Situation an, in denen es plötzliche Belastungen wie z.B. beim Husten oder Niesen gibt. Da entsteht Druck, der auf den Beckenboden wirkt bzw. muss diesem entgegengewirkt werden, damit nichts in die Hose geht. Wenn es doch schiefläuft, dann kann ein hypotoner oder ein hypertoner Beckenboden Schuld sein.
Den hypotonen Beckenboden treffen wir tendenziell eher in der frühen Zeit nach einer Geburt an. Wenn dann unser Beckenboden nicht genug Kraft hat, um sich angemessen stark zu kontrahieren und der Belastung etwas entgegenzusetzen, wird es schwierig. Aber das kann trainiert werden und sollte es auch. Zumal in diesem Falle in der Regel auch noch Schwierigkeiten dazu kommen, den Beckenboden überhaupt anzusteuern. Ist dies der Fall, empfiehlt sich ein Beckenbodencheckup, wie Du ihn beispielsweise bei Sabrina Nieland oder anderen Beckenbodenphysiotherapeutinnen durchführen lassen kannst.
Als nicht hundertprozentig passendes, aber anschauliches Beispiel, kannst Du Dir vorstellen, Dir drückt jemand von jetzt auf gleich eine schwere Hantel in die Hand. Ohne Training wirst Du diese nicht sicher halten können, aber mit Training wirst Du Dich der gegebenen Belastung immer besser anpassen und diese dann auch steigern können. Für den Beckenboden kannst Du Dir als Bild vorstellen, dass dieser wie eine zu schlaff aufgehängte Hängematte ist, deren unterer Teil schon am Boden aufkommt. Wenn Du Dich schwungvoll in diese Hängematte hineinwirfst, gibt es keinen Spielraum, um Dich abzufedern.
Zu viel Anspannung
Jetzt ist es aber so, dass ein sehr großer Anteil von Frauen, die Belastungsinkontinenz erleben, eher einen hypertonen, also einen zu angespannten Beckenboden haben. Hier ist die Ausgangslage eine etwas andere. Nehmen wir noch mal das Bild der Hängematte zur Hand. Dieses Mal ist sie extrem straff gespannt und damit sehr fest. Wenn Du Dich jetzt da drauf plumpsen lassen willst, kann sie auch nicht ein Stückchen weich nachgeben, sondern reißt aufgrund der plötzlichen Belastung. Natürlich ist dieses Bild auch nicht einhundertprozentig auf Deinen Beckenboden übertragbar, der reißt nicht, wenn Du niest, aber er kann eben bei hoher Grundspannung die Belastung auch nicht weich abfedern.
Wie schwierig es ist, Muskeln einsetzen zu können, wenn sie eine dauerhaft hohe Spannung haben, kannst Du ganz einfach mal selbst ausprobieren: mach mit einer Hand eine Faust und halte diese für fünf Minuten ganz fest geschlossen. Danach versuche etwas zu greifen. Es wird ein Weilchen brauchen, bevor Du diese Hand wieder koordiniert und sicher einsetzen kannst.
Was kannst Du nun bei Belastungsinkontinenz tun?
Bist Du betroffen und fragst Dich, was Du dagegen tun kannst? Eigentlich ist es simpel, wenn auch nicht einfach – Du solltest Deinen Beckenboden so trainieren, dass er dabei durch seinen gesamten Funktionsspielraum gebracht wird.
Häufig wird beim Beckenbodentraining die Kräftigung, also das Anspannen und Loslassen oder Anspannen, Halten, Loslassen geübt (Kegelübung). Das kann bei einem hypotonen Beckenboden auch durchaus eine wichtige Komponente sein, greift aber alleine durchgeführt trotzdem noch zu kurz. Nicht nur das Loslassen nach der Anspannung will trainiert werden, sondern auch das kontrollierte länger werden unter Belastung (exzentrische Kontraktion) muss eine Rolle spielen, um sinnvoll zu trainieren.
Haben wir es mit einem hypertonen Beckenboden zu tun, ist es in der Regel kontraproduktiv auf die Anspannung zu fokussieren, denn das führt zu einer Verschlimmerung der Situation. In der Praxis wird in den allermeisten Fällen beim Auftreten von Urinverlust beim Niesen gedacht, ein zu schwacher Beckenboden sei die Ursache. Dem folgen nicht selten die immer noch weit verbreiteten pauschalen Empfehlungen, dann kräftig Kegel zu üben oder gar die „Pipi-Stopp-Übung“ beim Toilettengang durchzuführen (bitte nicht!). Das wiederum erhöht den Muskeltonus im Beckenboden nur noch mehr. Die Symptome verschlimmern sich und die Betroffene übt noch mehr und wundert sich, warum es nicht besser wird.
Ganzkörpertraining und Entspannung
Was sich in beiden Fällen empfiehlt, ist ein ausgewogenes Ganzkörpertraining, welches diese Faktoren ebenso mit einbezieht, wie einige hier noch gar nicht angesprochene Einflüsse. Haltungs- und Bewegungspräferenzen sollten ebenso berücksichtigt werden wie unter anderem Atmung, Becken- und Oberkörperbeweglichkeit. Warum das so ist, kannst Du im Artikel darüber, was der Ganzkörperansatz im Beckenbodentraining ist nachlesen, und warum ich den liebe, erfährst Du in diesem Artikel.
Nicht zuletzt spielen auch unsere Lebensumstände und unser Alltag eine große Rolle. Stehen wir unter Stress, haben wir viel zu tun und beißen permanent sprichwörtlich wie tatsächlich die Zähne zusammen, so hat dies auch einen Einfluss auf unseren Beckenboden. Techniken zur Entspannung und wie Du diese ebenso wie passende Übungen in Deinen Alltag einbauen kannst, sind daher elementar wichtige Komponenten in meinem Training.
Dabei geht es nicht darum, dass Du Dein Leben komplett umkrempeln und alles anders machen musst, um Erfolge und Verbesserung von Symptomen zu erzielen. Sondern mein Anliegen ist es, mit Dir den genau für Dich richtigen Weg zu einer stabileren Körpermitte und einem zuverlässigeren Beckenboden zu finden.
Wenn Du unbeschwert niesen, lachen und leben, Deine Körpermitte wieder stabilisieren und Deinen Körper besser kennenlernen willst, dann lass uns gerne reden. Ich lade Dich auf ein unverbindliches Kennenlerngespräch ein, in dem wir uns erstmal unterhalten, gucken, ob Du bei mir an der richtigen Stelle mit Deinen Beschwerden bist und hinfühlen, ob die Chemie stimmt. Ich freue mich darauf, von Dir zu hören!
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