Aimée Riecke

Stabilität für Deine Körpermitte

Optimal vs. Perfekt – Was bedeutet das für Übungen im Training und im Alltag?

22. Aug 2022 | 0 Kommentare

„Das ist die perfekte Haltung am Schreibtisch.“ Das hast Du sicher auch schon mal irgendwo gelesen, oder? Vielleicht auch in leicht abgewandelter Form: „So sitzt Du richtig!“ oder „Die perfekte Ausführung der Übung X geht so…“ oder „Du darfst bei Übung X keinesfalls Y machen, das schadet sonst Deinem Körperteil Z.“

Aber was ist da dran, an richtig oder perfekt? Gibt es das überhaupt?

Kurze Antwort: Nein, gibt es nicht.

Lange Antwort: Es hat vielleicht auch ein bisschen mit Sprache, dem Verständnis von Begriffen und Deinem individuellen Körper zu tun. Und was genau verstehen wir unter optimal, perfekt oder richtig?

Das Streben nach der perfekten Übung

Perfekt hat für mein Empfinden an viel zu vielen Stellen Einzug gehalten, ständig trifft man dieses Wort irgendwo an und der Druck, immer alles genau richtig zu machen hängt auch mir gerne wie ein Klotz am Bein. Über die Ursachen von Perfektionismus müssen wir an dieser Stelle nicht reden, die sind so vielfältig wie individuell, aber leicht abzuschütteln ist er dennoch nicht.

Allerdings hilft es auch hier, sich als ersten Schritt bewusst zu machen, dass er vorhanden ist, um ihn dann gezielt ins Visier nehmen zu können. Ich seh es im Training immer wieder: Da werde ich von Kundinnen gefragt, ob sie die Übung richtig ausführen, ob sie alles richtig machen. Sie wollen es doch perfekt hinbekommen, damit auch ja alles den erwünschten Effekt hat. Oder sie versuchen das im Training gelernte in allen Alltagsbewegungen perfekt umzusetzen und haben plötzlich mehr Beschwerden, weil sie verkrampfen und sich stressen.

Was ist der Zweck der Übung?

Und da beginnt schon das Dilemma. Natürlich gibt es eine bestimmte Art, auf die einzelne Bewegungen und Übungen ausgeführt werden sollen. Da steckt ja durchaus auch ein Zweck dahinter. Aber es gibt eigentlich zu allen Bewegungen verschiedene Varianten, die ebenso den jeweiligen Zweck erfüllen. Nur sind einige Varianten für einige Menschen zugänglicher als andere, selbst wenn sie vielleicht optisch nicht so spektakulär daher kommen. Vielmehr kommt es darauf an, die passende Ausführung zu finden, für das jeweils zu erreichende Ziel und unter den entsprechend gegebenen Voraussetzungen.

Ich strebe allenfalls also jeweils eine für mich optimale Ausführung an, die bestmögliche unter den gegebenen Umständen. Was das Optimum ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, einige davon können wir beeinflussen, die meisten nicht. Es kann Situationen geben, in denen es nicht optimal für mich ist, eine Übung richtig auszuführen, weil diese Art für meinen Körper nicht zugänglich ist. Wobei wir uns bei richtig erneut fragen müssen, welches Verständnis dieses Begriffs wir haben. Richtig ist meistens ein Absolut, welches ohne Kontext da steht, der aber im Training und auch im Alltag berücksichtigt werden muss.

Ein praktisches Beispiel

Der herabschauende Hund ist eine Übung aus dem Yoga. Wie sie unterrichtet wird, hängt maßgeblich davon ab, wer diese Übung anleitet. Gebe ich „herabschauender Hund“ in die Bildersuche einer Suchmaschine ein, so werden mir überwiegend Bilder angezeigt, auf denen diese Pose in (nahezu) „perfekter“ Ausführung zu sehen ist: Ober- und Unterkörper bilden ein sehr gleichmäßiges Dreieck, die Beine sind lang, die Fersen ganz auf dem Boden, die Knie in den meisten Fällen ganz gerade gestreckt. Nur wenige Bilder zeigen Abweichungen davon.

Was nun, wenn ich meine Knie nicht strecken kann? Mache ich diese Übung dann nicht richtig? Wenn mir dann gesagt wird, um sie richtig zu machen, muss ich die Knie aber durchgesteckt haben und ich der Ansage Folge leiste? Dann rundet sich mein Rücken und ich mache es wieder nicht richtig. Mittlerweile tun mir auch die Handgelenke weh, weil ich indessen schon zu lange in dieser Haltung verharre, um sie endlich perfekt hinzubekommen. Alles andere als ideal.

Eine Frau führt die Übung Herabschauender Hund aus, ihre Knie sind gebeugt und nicht gestreckt
Mir wurde auch schon gesagt, dass dies kein „richtiger“ herabschauender Hund sei.

Die Alternative: Modifizieren

Also gehe ich zurück auf Anfang: Was will ich eigentlich erreichen? Wofür ist diese Übung gut? Und wie kann ich den gleichen Effekt erzielen, ohne das Gefühl versagt zu haben oder gar Schmerzen zu empfinden?

Der herabschauende Hund hat mehrere Wirkweisen. Die in meinem Training wichtigsten sind die Dehnung in den hinteren Beinen bei einer Beckenstellung, die den Beckenboden in eine gestreckte Position bringt und die Streckung durch einen langen Rücken, ohne dass dieser seine natürliche Form in der Wirbelsäule verliert. (Also kein „Durchhängen“ im Schulter- und Brustbereich oder Hohlkreuz im unteren Rücken.)

Die Übung herabschauender Hund wird hier in einer Variante mit Blöcken gezeigt
Auch so erreiche ich den langen Rücken und die Dehnung in den Beinrückseiten

Beides lässt sich auch modular, also einzeln erreichen oder auch zusammengesetzt in unterschiedlich zugänglichen Varianten, je nachdem auf welchem Punkt der Reise sich Dein Körper gerade befindet. Bei mir ist meistens eine sehr starke Beugung der Knie notwendig, um den gewünschten Effekt im Becken und damit Beckenboden zu erzielen. An manchen Tagen habe ich Schwierigkeiten mit meinen Handgelenken. Dann modifiziere ich die Übung so, dass die zwei Elemente entweder separat trainiere oder erhöhe die Auflagefläche der Hände mithilfe von Blöcken, einem Stuhl oder sogar auf einem Tisch.

Die Übung herabschauender Hund in einer Variante mit den Händen auf der Sitzfläche eines Stuhls
An manchen Tagen brauchen die Handgelenke noch mehr Entlastung

Optimal bedeutet nicht eine Übung immer gleich auszuführen

Mit entsprechenden Modifikationen kann ich die Übung optimal ausführen, also so gut wie es mir in dem Augenblick gerade möglich ist. Das kann übrigens am Montag ganz anders aussehen als am Dienstag und vormittags anders als nachmittags. Eine kurze Nacht oder mein Zyklus beeinflussen die Ausführung ebenso, wie die Art der sportlichen Aktivitäten am Vortag.

Der herausfordernde, aber gleichzeitig total spannende Aspekt ist also, Deinen eigenen Körper besser kennenzulernen, um Dein Gespür dafür zu schärfen, was für Dich und Deinen Körper bei den jeweiligen Übungen gerade am besten ist. Zu lernen, wie Du dabei vorgehen kannst und worauf Du achten darfst, ist Teil meines 1:1 Programms Empower Your Core.

Wenn Du Interesse daran hast, mit mir zu trainieren und Deinen Körper besser zu verstehen, kannst Du gerne ein unverbindliches Kennenlerngespräch mit mir buchen. Ich freue mich darauf, von Dir zu hören!

Die Übung herabschauender Hund in der Variante "Puppy", also Welpe
Der gestreckte Welpe bietet ähnliche Vorteile, wie der herabschauende Hund, ohne die Handgelenke so stark zu belasten


Anmerkung: Dieser Artikel ist an Tag 2 der Sommer-Blogdekade 2022 entstanden. Vom 21.08. bis 30.08.2022 schreiben viele Bloggerinnen in TheContentSociety innerhalb von zehn Tagen bis zu zehn Blogartikel. Es ist meine erste Blogdekade, und ich bin neugierig, wie viele Artikel ich tatsächlich in dieser Zeit erstellen kenn, ohne mich von meinem inneren Perfektionisten ausbremsen zu lassen.

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