Aimée Riecke

Stabilität für Deine Körpermitte

Pessare bei Senkungsbeschwerden und Harninkontinenz – Entwürdigend oder die Rettung?

17. Mrz 2023 | 2 Kommentare

Bis vor einige Jahre kannte ich selbst Pessare nur im Kontext von Verhütung. Erst im Zusammenhang mit meiner Blasensenkung und den damit einhergehenden Senkungsbeschwerden kam ich damit in Kontakt. Allerdings hätte ich schon viel früher davon profitiert, jedoch wurde ich von meinem damaligen Gynäkologen darüber zu passendem Zeitpunkt nicht informiert. Was das für Gründe hatte, was Pessare überhaupt sind und wann sie zum Einsatz kommen, erzähle ich Dir hier.

Was sind Pessare?

Pessare sind medizinische Stützen, die in die Vagina eingesetzt werden. Sie bestehen meistens aus Silikon und sind salopp gesagt wie ein Sport-BH für Deine Beckenorgane. Sie unterstützen die Vaginalwand, geben den Organen Halt und können so bei Senkungsbeschwerden und Inkontinenz eine große Hilfe und Erleichterung im Alltag oder beim Sport sein.

Pessare gibt es in vielen verschiedenen Formen, bspw. Ringpessare, mit und ohne unterstützende Membran, Würfelpessare, Schalen- und ovale Pessare und viele mehr. Eine schöne Übersicht über die Vielfalt kannst Du auf dieser Seite finden. Welche Art von Pessar für Dich richtig ist, entscheidet Deine behandelnde Person, bspw. eine (Uro-)Gynäkologin oder Beckenbodenphysiotherapeutin.

Wann kommen sie zum Einsatz?

Pessare unterstützen die Integrität Deiner Vaginalwand und halten damit die Organe Deines Beckens an ihrem Platz. Das heißt, sie werden eingesetzt, um Senkungen und den damit einhergehenden Symptomen, wie z.B. Belastungsinkontinenz oder Druckgefühl in der Vagina entgegenzuwirken.

Das heißt, wenn Du eine Gebärmuttersenkung, eine Blasensenkung (Zystozele) oder auch eine Rektozele (Senkung des Mastdarms in die Vaginalwand) hast, können Pessare diese Beschwerden lindern. Zwar machen sie die Organsenkung nicht rückgängig, jedoch erleichtert Dir die Unterstützung die Ausführung von alltäglichen oder auch sportlichen Aktivitäten.

Wenn Du eine Senkung und entsprechende Beschwerden hast, ist nachhaltiges Beckenbodentraining eine sehr wichtige Komponente zur Beschwerdebesserung. Allerdings machen die Senkungsbeschwerden häufig eben dieses Training sehr unangenehm. In solchen Fällen sind Pessare ein wunderbares Hilfsmittel, diese Hürde zum Durchführen des Trainings abzubauen.

Eine Auswahl verschiedener Pessare liegt ausgebreitet auf einem neutralen Untergrund. Es gibt u.a. ein Ringpessar, ein Ringpessar mit Membran, ein Würfelpessar und noch andere.
Auswahl Pessare. Welches davon für Dich richtig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. (Bild: Sabrina Nieland)

Das richtige Pessar finden

Hast Du eine Belastungsinkontinenz oder eine Senkung, lohnt sich die Suche nach einer Fachperson, die in der Lage ist Pessare anzupassen. Du könntest Deine Gynäkologin fragen oder auch auf der Therapeutenliste der AG GGUP (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologie, Geburtshilfe, Urologie und Proktologie) nach Therapeutinnen in Deiner Nähe suchen und diese fragen, ob sie Pessaranpassung anbieten. Noch im Aufbau ist diese Kontaktliste mit Ärztinnen, Hebammen und medizinischen Institutionen, die sich mit Pessar-Therapie beschäftigen.

Hast Du eine entsprechende Fachkraft gefunden, wird diese feststellen, welches Pessar für Deine Beschwerden das richtige ist und Kontraindikationen ausschließen. Bevor ein Pessar verordnet werden kann, muss eine Anpassung stattfinden. Es kann allerdings manchmal länger dauern, bis das richtige Pessar und vor allem auch die richtige Größe gefunden ist.

Dein Zyklus und Dein Allgemeinbefinden können dabei eine Rolle spielen, wie sich das Tragen des Pessars anfühlt, bzw. wie gut es sitzt. Vielleicht kennst Du das von Tampons oder Menstruationstassen. Geduld und Übung sind Deine Freunde, manchmal braucht es einfach mehrere Versuche mit dem gleichen Pessartyp, aber auch u.U. mit verschiedenen Typen.

Es gibt Pessartypen, die von der anpassenden Fachperson gesetzt werden und längere Zeit in der Vagina verbleiben können, bevor sie gewechselt werden. Häufiger aber sind Pessare im Einsatz, die Du selbst einsetzen und entnehmen kannst. Diese werden am Ende des Tages wieder entfernt. Je nach Deiner Beschwerdelage, kann es auch sein, dass sich die Nutzung nur auf die Zeit einer bestimmten Aktivität beschränkt, beispielsweise zum Sport.

Warum sind Pessare immer noch so wenig bekannt bzw. genutzt?

Das frage ich mich ehrlich gesagt auch. Wenn ich mein Pessar erwähne, werde ich häufig fragend angeschaut. Was ist das denn? Wo hast Du das her? Wieso habe ich davon noch nie gehört? Ich kann das nicht allumfassend beantworten, aber aufgrund meiner eigenen Geschichte und Erfahrungen ein wenig ableiten, denke ich.

Zum einen sind Themen rund um Beckenboden und Inkontinenz immer noch sehr schambehaftet und damit als Tabu angesehen. Wenn aber keiner darüber redet, erfährt auch niemand über mögliche Therapien. Einer der Gründe, warum ich über meine Erlebnisse schreibe und rede. Schon manches Mal hat das zu großer Erleichterung bei meinen Gesprächspartnerinnen geführt, die bemerkten, dass sie nicht allein sind in ihrer Situation.

Zum anderen habe ich mittlerweile den Eindruck, dass Deutschland beim Thema Beckenbodengesundheit und entsprechenden Therapien noch ganz schön hinterherhinkt. Wir erfahren zu spät und zu wenig über den Beckenboden und wenn es Probleme gibt, ist es nicht einfach, medizinisches Fachpersonal zu finden, welches sich explizit und auf dem neusten Stand der Wissenschaft mit dem Beckenboden auskennt.

Wer hat das Wissen und kann kompetent beraten?

Bis ich eines Besseren belehrt wurde, dachte ich, Gynäkologinnen müssten doch diejenigen sein, die so richtig Ahnung vom Beckenboden haben. Allerdings ist dies häufig nicht der Fall, es sei denn, sie haben sich speziell dazu weitergebildet. Das Thema kommt selbst in der Facharztausbildung viel zu kurz und bei den meisten praktizierenden Ärztinnen ist diese ja nun auch schon ein paar Jahre länger her.

Physiotherapeutinnen mit entsprechend fachlicher Weiterbildung kann man über die oben verlinkte Therapeutenliste der AG GGUP finden, aber auch hier gibt es sehr viele unterschiedliche Level an Befähigung. Und dann ist auch immer noch die Frage, was an Behandlung übernommen wird und was man sich selbst leisten muss. Ein umfangreicher Beckenboden Check-up, wie ihn z.B. Sabrina Nieland in Hamburg anbietet, sollte meiner Meinung nach jeder Frau mindestens einmal nach jeder Geburt zustehen. Leider ist dies nicht der Fall und dieser Art ausführliche Untersuchung und Beratung wird nicht von der Kasse übernommen.

Für mich war der Check-up bei Sabrina und die danach folgende Beratung und Anpassung eines Pessars mit die beste Investition für meinen Beckenboden und damit auch meine mentale Gesundheit. Die Möglichkeit punktuell mehr Unterstützung für meinen Beckenboden und Blase zu haben, ermöglicht es mir mich an Tagen mit mehr Belastung freier bewegen zu können und vor allem auch genau dem Sport nachgehen zu können, der wiederum gutes Training für meinen Beckenboden ist.

Nachfrage beim Gynäkologen

Neben dem generell wenig verbreitetem Wissen über die Existenz von Pessaren bei potenziellen Nutzerinnen und zu schwierigem Zugang zu fachlich entsprechend geschulten Medizinerinnen und Therapeutinnen, gibt es aber noch eine weitere Hürde, wie ich selbst erleben durfte. Im Zuge der Pessarfindung schob ich auch etwas anderes an, was mir schon seit zwei Jahren ein Anliegen war, ich aber aus emotionalen Gründen noch nicht vollzogen hatte.

Ich wollte meinen Gynäkologen wechseln. Ich bin meinem bisherigen Arzt sehr verbunden und er hat mich lange Zeit durch teils sehr schwere Zeiten sensibel begleitet. Aber in den letzten Jahren, im Kontext meiner Geburtsverletzung und den Senkungsbeschwerden, habe ich mich nicht mehr ganz richtig bei ihm aufgehoben gefühlt.

Ich fand eine neue Gynäkologin, wollte aber nicht einfach nie mehr bei ihm auftauchen, ohne etwas zu sagen. So machte ich einen letzten Termin, um mich zu verabschieden und ein paar Dinge loszuwerden. Ich wusste vorher, es würden viele Tränen fließen und ich hatte Angst, nicht ernst genommen zu werden. Warum also sollte ich mir das antun? Weil ich die Hoffnung hatte, dass er bei der nächsten Frau, die mit Beschwerden wie meinen vor ihm sitzt, eine weitere Perspektive würde einnehmen und ausgeglichener würde beraten können.

Es wurde ein langes, sehr gutes Gespräch, in dem er meine Kritik offen annahm. Auf meine Frage hin, warum er nie eine Pessartherapie erwähnt habe, kam sinngemäß folgende Antwort: Pessare sind für alte Frauen, das fand ich viel zu entwürdigend für so eine junge Frau wie Sie.

Fazit: Sind Pessare entwürdigend oder die Rettung?

Mich hat die Aussage meines Gynäkologen erstmal total perplex gemacht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Für mich ganz persönlich ist mein Pessar ein Hilfsmittel, welches ich temporär (mal mehr, mal weniger) nutze, wie ich auch eine Handschiene oder Krücken nutze, wenn ich bspw. eine Sehnenscheidenentzündung oder einen verstauchten Knöchel habe. Es gibt mir Freiheit und bietet mir Unterstützung. Damit ist es, auch wenn das etwas pathetisch klingen mag, wirklich meine Rettung gewesen. Vor allem für meine mentale Gesundheit, weil es mir ermöglicht, mich besser um meine physische Gesundheit zu kümmern.

Ich verstehe aber auch meinen Gynäkologen. Er hatte eine bestimmte Vorstellung von der Anwendung von Pessaren, überwiegend bei älteren Frauen und auch primär in der Variante, die durch ihn gesetzt und entfernt wird. Die Entscheidung, mich diesem Vorgang und dieser Abhängigkeit von ihm durch die regelmäßigen Wechseltermine nicht aussetzen zu wollen, traf er aus den besten Intentionen heraus. Er wollte mir das nicht antun, weil er es als entwürdigend empfand. Das kann ich durchaus wertschätzen.

Beckenbodengesundheit muss enttabuisiert werden!

Jetzt kann man schimpfen, zetern und ihn dafür verteufeln, mir diese Entscheidung als die meinige abgesprochen zu haben. Ich habe ihn in der Tat deutlich wissen lassen, was ich davon halte und er hat das verstanden. Das ist in meinen Augen jedoch gar nicht der ausschlaggebende Punkt, schließlich ist das hier nur eine individuelle Situation gewesen. Was ich daraus ableite ist, dass die Scham und das Unwohlsein, welches generell gesellschaftlich mit Themen der Frauengesundheit allgemein und Beckenbodengesundheit im Speziellen immer noch einhergeht, dringend in Angriff genommen werden muss. Denn auch Ärzte werden davon beeinflusst.

Diese Themen müssen aus der Tabuzone raus, besser heute als morgen. Niemand findet das Tragen einer Brille oder die Nutzung von Krücken entwürdigend. Warum also sollte Pessare, die einfach nur weitere Hilfsmittel sind, welche meinen Körper temporär oder dauerhaft unterstützen, auf diese Weise betrachtet werden? Das ergibt keinen Sinn!

Also werde ich weiterhin laut und deutlich darüber reden und schreiben und entsprechende Informationen in die Welt bringen, auf dass mehr Frauen ihren Körper besser verstehen und mehr darüber erfahren, was ihnen helfen kann. Für Deine Unterstützung dabei, durch Kommentare und Weiterverbreiten meiner Artikel, wäre ich Dir sehr dankbar!


Wusstest Du schon, was Pessare sind? Nutzt Du vielleicht selbst eins? Oder traust Du Dich noch nicht, weil Dein Bild von Pessaren bislang negativ besetzt war? Lass es mich gerne wissen. Und wenn Du nicht kommentieren magst, dann schreibe mir doch gerne eine E-Mail. Oder wenn Du mit mir darüber oder über Deine Beckenbodenbeschwerden und was Du dagegen tun kannst reden möchtest, dann vereinbare einen Termin für ein unverbindliches Kennenlerngespräch mit mir! Ich freue mich darauf, von Dir zu hören!

2 Kommentare

  1. Hallo Aimée,
    ich bin richtig verzweifelt. Ich habe vor bestimmt 10 Jahren den Tipp von meiner Gynäkologin erhalten, meine Senkungsprobleme mit einem Pessar anzugehen. Ich habe mich selbst auf die Suche gemacht und wurde bei Medesign fündig. Bis Ende Juli habe ich den Pessar erfolgreich und problemlos tragen können. Dann bekam ich Probleme wie Reizungen, Brennen. Es geht einfach nicht mehr. Ich vermute selbst, dass meine Probleme psychosomatisch bedingt sind. Ich bin 73 Jahre alt und habe vier Kinder. Leider wohne ich weit weg von Hamburg. Vielleicht hast du einen Tipp?
    LG Doris

    Antworten
    • Liebe Doris,
      ich werde mich per E-Mail bei Dir persönlich melden.
      Liebe Grüße
      Aimée

      Antworten

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